Lagedarstellung zu den Straßenausbaubeiträgen

Abschaffung der Straßenausbaubeiträge auch in und für Celle,  das muss keine unendliche Geschichte sein.

Was die Stadt Celle betrifft drängt sich der Verdacht auf: es geht nicht um Gerechtigkeit sondern nur ums liebe Geld  für die Sanierung des städtischen Haushalts – mit der Folge: Straße saniert, Bürger ruiniert.

Es ist für die Bürgerinnen und Bürger nicht nachvollziehbar, warum alle die Straßen benutzen dürfen, aber nur eine bestimmt Bürgergruppe, die Anlieger dieser Gemeindestraßen,  dafür bezahlen müssen.

Für den Ausbau der Bundesstraßen in Celle zahlt der Bund, für die Landesstraßen das Land, für die Kreisstraßen der Kreis ,  für die Gemeindestraßen die Gemeinde –stopp – falsch,  hier gibt´s die einzige  nicht plausibel nachvollziehbare Ausnahme: die Anlieger zahlen für dieser Straßen einen Bürgerbeitrag von ca. 50%. Dies kann schnell zu 5-stelligen Beträgen führen – 10.000 Euro Anliegerbeitrag sind nicht ungewöhnlich.

Diese Ungerechtigkeit gehört beseitigt – durch die Aufhebung der Straßenausbaubeitragssatzung der Stadt Celle.  Aber aus welchen Mitteln  soll dann die Stadt den erforderlichen Straßenausbau zu 100% bezahlen?

Am besten und praktikabelsten aus dem allgemeinen städtischen Haushalt. Dies  wäre grundsätzlich möglich, aber nicht ohne weiteres in der Stadt Celle, denn das  OVG Lüneburg hat mit Beschluss vom 22.07.2020 geurteilt: „Befindet sich eine Kommune in einer anhaltenden erheblichen defizitären Finanzlage – und das ist bei der Stadt Celle der Fall –  die Stadt Celle erhält vom Land Niedersachsen Bedarfszuweisungen – kann sie ins Hinblick auf § 111 Abs. 6 NKomVG nur  dann auf eine Erhebung von Straßenausbaubeiträgen  verzichten, wenn sie in der Lage ist, die hierdurch bedingten Mindereinnahmen durch andere Finanzmittel und nicht lediglich durch eine höhere Kreditaufnahme auszugleichen.“

Somit wären Politik und Verwaltung gefordert, diese aufzuspüren – was schon seit über 10 Jahren jährlich mit gewissen Erfolgen zur allgemeinen Haushaltskonsolidierung passiert ist, um seinerzeit die „Zwangsverwaltung der städtischen Finanzen durch das nds. Innenministerium zu vermeiden“. Dies ist Rat und Verwaltung in gemeinsamen Kraftanstrengungen gelungen. Es ist die Frage zu stellen, ob sich im Haushalt nicht ggf. jetzt oder in naher Zukunft neue  finanzielle Spielräume ergeben. Die neu eingesetzte Arbeitsgruppe der Fraktionsvorsitzenden  im Celler Rat sollte daher beschließen, die Verwaltung um die Vorlage von Gegenfinanzierungsvorschlägen für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge zu bitten und natürlich auch eigene Vorschläge entwickeln bzw. die Fraktionen im Rat darum bitten.

Andere Möglichkeiten sind weniger akzeptabel bzw. erfolgsversprechend :

Eine weitere  Grundsteuererhöhung – wie in Winsen/ Aller – als Kompensation für die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge  –  ist angesichts der bereits am 1.1. 2021 erfolgten Erhöhung des Grundsteuerhebesatzes in der Stadt Celle von 490 v.H. auf 520 v.H.  als weitere Steuererhöhung dem Bürger in diesen Coronageprägten Zeiten nur schwer zu vermitteln. Die WG wollte in der Ratsabstimmung im Jahre 2019 diesen Weg nicht verbauen und hatte mit ihrem Gruppenpartner den Antrag gestellt, den Grundsteuerhebesatz nur um 15 v.H. zu erhöhen und die andere Hälfte über die Erhöhung des Gewerbesteuerhebesatzes zu erzielen. Der Grundgedanke dahinter war, die nötigen zusätzlichen Lasten für die benötigten Bedarfszuweisungen des Landes möglich gleichmäßig auf möglichst vielen Schultern zu verteilen. Wir waren  damit  in der Ratsabstimmung aber leider  knapp unterlegen. Nach unseren Berechnung en wäre eine zusätzliche Erhöhung des Grundsteuerhebesatzes um weitere mindestens 40  v.H. erforderlich, und dies unabhängig von der anstehenden Grundsteuerreform.

Weitere Änderungsideen wie Wiederkehrende Straßenausbaubeiträge sind zu verwaltungsaufwändig und ändern nichts an der Ungerechtigkeit der Beitragserhebung. Gleiches gilt für die von der Verwaltung angedachten Ermäßigungen für Eckgrundstücke  und übergroße Grundstücke  oder auch für die Verrentung bzw. Ratenzahlung der festgesetzten belastenden Straßenausbaubeiträge.

Unser konkreter Vorschlag wäre somit:

Alle noch nicht begonnenen straßenausbaubeitragspflichtigen  Projekte bis zur Landtagswahl  im Jahre 2022 zurückstellen.

Dies ist möglich, da bis dahin nur die Tangente ausgebaut werden soll  und dort keine straßenausbaubeitragspflichtigen Grundstücke anliegend sind.

Im Jahre 2022 bei der niedersächsischen Landtagswahl die Parteien wählen, die bereit sind, (auch) diese Straßen aus dem Landeshaushalt zu finanzieren. In der Mehrzahl der anderen Bundesländer geht das ja auch – also fehlt bislang nur der politische Wille.

Sollte dies dann 2022 trotzdem nicht klappen und das Wahlergebnis anders ausfallen : Straßenausbaubeitragssatzung aufheben  und die Straßenausbaubeiträge zu 100%   durch die von Verwaltung und Politik aufgespürten und festgestellten Kompensationsfinanzmittel  ersetzen.

Gez. Torsten Schoeps

Vorsitzender der Wählergemeinschaft Celle e.V. (WG)
und Fraktionsvorsitzender WG / Die PARTEI


Im Folgenden geben wir einen Überblick über die aktuelle Situation in den Bundesländern (Stand 1. Juli 2020):

Die sieben Bundesländer ohne Straßenausbaubeiträge.

1. In Baden-Württemberg gab es sie noch nie.
In den sechs Bundesländern Berlin, Hamburg, Bayern, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen wurden sie abgeschafft.
2. Berlin strich 2012 als erstes Bundesland die Beiträge.
3. In Hamburg hat die Bürgerschaft am 9. November 2016 die Abschaffung beschlossen.
4. In Bayern wurden nach einer erfolgreichen Volksinitiative  die Straßenausbaubeiträge am 14. Juni 2018 per Landtagsbeschluss abgeschafft. Als Stichtag wurde rückwirkend der 1. Januar 2018 festgelegt. Maßgebend ist dabei die Festsetzung des Bescheides.
5.Brandenburg: Eine breite Mehrheit von SPD, Linke, CDU und AfD stimmte am 19. Juni 2019 im Potsdamer Landtag dafür, dass die anteiligen Kosten für alle seit dem Stichtag 1. Januar 2019 abgeschlossenen Baumaßnahmen (Bauabnahme durch die Gemeinde) nicht mehr von den Kommunen auf Grundstückseigentümer umgelegt werden. Stattdessen werden sie vom Land übernommen. Für eine  Volksinitiative zur Abschaffung der Beiträge – initiiert von den Freien Wählern –  wurden zuvor 108.000 Unterschriften gesammelt und am 8. Januar 2019 an den Landtag übergeben. Das geforderte Quorum lag bei 20.000 Unterschriften
6. In Mecklenburg-Vorpommern hat der Landtag am 24. Juni 2019 die Erhebung von Straßenbaubeiträgen für alle Straßenbaumaßnahmen abgeschafft, die ab dem Stichtag 1. Januar 2018 begonnen worden sind (erster Spatenstich).  Für die Volksinitiative waren 44.270 Unterschriften gesammelt worden. Das Quorum lag bei 15.000.
7. In Thüringen hat der Landtag am 12. September 2019 einstimmig – bei Enthaltung der CDU – die Abschaffung beschlossen. Die Beiträge wurden rückwirkend zum Stichtag 1. Januar 2019 abgeschafft. Maßgebend ist das Ende der Baumaßnahme (letzte Unternehmensrechnung). Alle Ausbaumaßnahmen, die bis zu diesem Zeitpunkt beendet wurden, können innerhalb einer Vier-Jahres-Frist  noch abgerechnet werden. Zuvor hatten zehntausende Thüringer „Rote Karte für Straßenausbaubeiträge“ an die Staatskanzlei geschickt – eine Aktion die der VDGN gemeinsam mit der Bürgerallianz Thüringen initiiert hat.

8. Sachsen-Anhalt bereitet Abschaffung vor:
 Im November 2019 hat auch die CDU eingelenkt, so dass sich jetzt alle Landtagsfraktionen für die vollständige Abschaffung der Beiträge aussprechen. Die Arbeitsgruppe der Koalitionsfraktionen zur Abschaffung von Straßenausbaubeiträgen hat sich jetzt auf den Text eines Gesetzentwurfs verständigt, der noch in den drei Fraktionen beschlossen werden soll. Damit werden die parlamentarische Beratung und Verabschiedung ab September möglich. Das Gesetz soll rückwirkend zum 1. Januar 2020 in Kraft treten. Maßgebend für diesen Stichtag soll nach jetzigem Stand das Ende der Baumaßnahmen sein. (Zu den Details siehe hier.)

In fünf Bundesländern können die Kommunen selbst entscheiden, ob sie Straßenausbaubeiträge erheben.Das heißt, im jeweiligen Kommunalabgabengesetz (KAG) gibt es eine Kann-Regelung. Eine vollständige Abschaffung ist überall in der Diskussion.

1. Schleswig-Holstein:Einen entsprechenden Beschluss  hat der Landtag des schwarz-grün-gelb regierten Bundeslandes am 14. Dezember 2017 ohne Gegenstimmen gefasst. Die SPD enthielt sich, weil sie noch einen Schritt weitergehen will. Sie tritt für eine komplette Abschaffung der Beiträge ein. Laut Recherchen der Kieler Nachrichten verzichten bereits etwa 80 Prozent der Kommunen auf das Erheben von Straßenausbaubeiträgen.
2. Hessen: In Hessen hat die schwarz-grüne Koalition im Mai 2018 einem FDP-Gesetzentwurf zugestimmt, wonach Kommunen nicht mehr verpflichtet sind, ihre Bewohner an den Straßenausbaukosten zu beteiligen. SPD und Linke fordern hingegen eine generelle Abschaffung der Beiträge. Rund 40 von insgesamt 423 Städten und Gemeinden haben bisher die neue Kann-Regelung genutzt und die Straßenausbaubeiträge abgeschafft. Einer Online-Petition an den Landtag, die Beiträge abzuschaffen, haben sich über 25.000 Bürger angeschlossen. Das Quorum lag bei 15.000. Zahlreiche Bürgerinitiativen wirken unter dem Dach der Arbeitsgemeinschaft „Straßenbeitragsfreies Hessen“ zusammen.
3. Niedersachsen: Die rot-schwarze Koalition in Niedersachsen hält noch an der Kann-Regelung fest. Die FDP und Teile des Landesverbandes der CDU wollen eine komplette Abschaffung. An der Basis ist die Abschaffung ein großes Thema. Über 80 Bürgerinitiativen haben sich im Niedersächsischen Bündnis gegen Straßenausbaubeiträge (NBgS) zusammengeschlossen.
4. Sachsen: Im schwarz-rot regierten Sachsen gilt die Kann-Regelung unter Berufung auf ein grundsätzliches Urteil des Oberverwaltungsgerichts Bautzen vom 31. Oktober 2007 (Atz 5 B 522/06). Demnach „sind diejenigen Gemeinden in ihrer Entscheidung zur Erhebung frei, deren Leistungsfähigkeit nicht gefährdet ist.“ Im Ergebnis dessen hoben viele sächsische Kommunen ihre Straßenausbaubeitragssatzungen auf und zahlten teilweise sogar alle bereits geflossenen Beiträge zurück. Auch in der Stadt Leipzig wurden die Beiträge jetzt abgeschafft.
5. Saarland: Die 52 saarländischen Städte und Gemeinden können selbst entscheiden, ob sie von Grundstückseigentümern Beiträge für den Straßenausbau zu erheben. Die schwarz-rote Landesregierung hat zu Jahresbeginn 2020 beschlossen, dass es leichter werden soll, wiederkehrende Beiträge zu erheben. Das ist seit 2001 zwar generell möglich, aber wegen eines komplizierten Abrechnungssystems machen die Kommunen davon bisher kaum Gebrauch.
Auch in diesem Bundeland läuft eine Volksinitiative für die vollständige Beitragsabschaffung, initiiert von den Freien Wählern.

Drei Bundesländer mit speziellen Regelungen

1. Rheinland-Pfalz: In Rheinland-Pfalz werden die Einmalbeiträge für den Straßenausbau nach dem Willen der Ampelkoalition abgeschafft. Stattdessen sollen die Kommunen ab 2024ausschließlich wiederkehrende Beiträgeerheben. Weiter geben soll es Einmalbeiträge für wenige Ausnahmen: das Anlegen von Park- und Grünflächen sowie sehr kleine Gemeinden.  Die in der Opposition stehende CDU bleibt bei ihrer Forderung, die Straßenausbaubeiträge vollständig abzuschaffen.
2. Nordrhein-Westfalen: In NRW müssen Anlieger seit Anfang 2020 nur die Hälfte der bisher fälligen Straßenausbaubeiträge zahlen. Mit den Stimmen der schwarz-gelben Regierungskoalition hat der Landtag von Nordrhein-Westfalen am 18. Dezember einen Gesetzentwurf zur Änderung des Kommunalabgabengesetzes (KAG) verabschiedet. Ungeachtet einer von 470.000 Bürgern unterzeichneten Volksinitiative wird darin an den Straßenausbaubeiträgen festgehalten. Zumindest sah man sich unter dem Druck der eigenen Bevölkerung veranlasst, die Beiträge ab 1. Januar 2020 zu halbieren. Unter anderem sollen die bisherigen Höchstsätze für die Beteiligung von Anlieger halbiert werden können. Die Mindereinnahmen der Kommunen sollen mit  jährlich 65 Millionen Euro aus Landesmitteln kompensiert werden. Der Bund der Steuerzahler bezeichnete die Ankündigung der Regierungskoalition als richtige Weichenstellung in Richtung einer vollständigen Abschaffung der Straßenausbaubeiträge. Auch die SPD bleibt bei ihrer Forderung nach vollständiger Abschaffung.
3. In Bremen werden keine Straßenausbaubeiträge erhoben, im Gegensatz dazu jedoch in Bremerhaven auf der Grundlage eines Ortsgesetzes.

Quelle: Verein Stop von Straßenausbaubeiträgen Deutschland e.V. (VSSD)

Hinweis: Das Land Sachsen-Anhalt hat am 15.12.2020 die Abschaffung beschlossen.

Veröffentlicht in Aktuelles, Kreistag.